Beim Bahnhof herrscht ein Chaos von unerlaubt abgestellten Velos. Dabei wäre es laut Stadt «schnell und einfach», die Räder korrekt in den kostenpflichtigen Velostationen zu parkieren. Wir haben es ausprobiert.

Die schlechte Nachricht: Wer sein Velo zum ersten Mal in einer der drei kostenpflichtigen Velostationen beim Bahnhof abstellt, verpasst seinen Zug fast sicher. Die gute: Das passiert nicht zweimal. Denn eigentlich lassen sich die städtischen Veloparkplätze einfach bedienen.
Es ist Mittwoch, 11 Uhr, ich stehe mit meinem Velo auf der Neuwiesenseite des Bahnhofs. Mein fiktives Ziel: die S11 nach Zürich um 11.09 Uhr. Das ist ambitioniert, aber machbar – wären die Doppelständer entlang der Rudolfstrasse nicht restlos belegt und mit Dutzenden unerlaubt parkierten Velos zugestellt.
Auf einer Tafel stellt die Stadt in Aussicht, Velos kostenpflichtig abzutransportieren, wenn sie den öffentlichen Raum blockieren. Sie schafft hierzu sogar eine neue Stelle bei der Stadtpolizei. Platz gebe es in den Velostationen, schreibt die Stadt. Es wird Zeit, dieses Angebot auszuprobieren.
Stationen sind einfach erreichbar
Aber wo sind diese Stationen? Eine blaue Tafel mit Velosymbol und Aufschrift «Einfacher parkiert» verspricht Antworten. Die Stadt hat die Infotafeln rund um den Bahnhof platziert. Jene beim Unterführungseingang an der Rudolfstrasse ist allerdings von geschätzt 50 Rädern zugestellt.

Um 11.02 Uhr habe ich mich zur Tafel durchgeschlagen. Auf einer Karte sind die Velostationen markiert. Dank QR-Code öffnet sich eine Website der Stadt mit Infos zu Öffnungszeiten und Preisen der drei Velostationen: Zwei Franken kostet das korrekte Parkieren für einen Tag.
Die Station Rudolfstrasse ist direkt unter mir. Hätte die Stadt bei der Einfahrtsrampe zur neuen Bahnhofsunterführung eine Hinweistafel auf die Velostation angebracht, hätte ich das schneller begriffen.
Ohne Bargeld hilft nur das Handy
Der Eingang zur Velostation befindet sich unten links, in der scharfen Kurve. Als ich hineinfahre, fallen mir an der Wand gegenüber sofort die bunten Schilder mit Erklärungen auf.
Mich interessieren «Ticketautomat» und «Onlineticket». Dann die erste Ernüchterung: Der Automat im Eingangsbereich ist für mich gerade nutzlos. Er akzeptiert nur Münz. Aber einen Swiss Pass, ein Handy und Empfang habe ich. Ich melde mich, wie erläutert, bei www.velocity.ch an und lade die App herunter. Das ist einfach, kostet mich aber vier Minuten.



Beim Öffnen der App werden mir die Winterthurer Velostationen angezeigt. Ich klicke auf «Rudolfstrasse», wähle die Parkdauer und bezahle mit Twint. Mit Kredit- oder Postkarte ginge auch. Ich nehme mir einen selbstklebenden QR-Code aus den schneckenförmigen Spendern an der Wand und klebe den Sticker an die Sattelstange. Den Code scanne ich mit dem Handy. 24 Stunden darf ich mein Rad noch stehen lassen, zeigt mir die App auf die Sekunde genau an. Ich stelle mein Velo in einen freien Ständer und schliesse es ab.
Den Zug hätte ich verpasst
Es ist 11.15 Uhr, mein Zug wäre weg. Das passiert mir beim nächsten Besuch in einer der drei Stationen aber nicht mehr, da ich jetzt registriert bin. Zu bedienen ist die App leicht. Wer dennoch Mühe hat, dem helfen Mitarbeitende der Brühlgut-Stiftung. Sie sind werktags von 6 bis 20 Uhr vor Ort.
Ich probiere auch das Angebot im Stellwerk auf der anderen Bahnhofseite aus. Dort arbeitet Muriel Grob in der integrierten Velowerkstatt. Sie erklärt mir, dass alle Stationen nach 20 Uhr und am Wochenende nur mit der Swiss-Pass-Karte zugänglich sind. Das höre ich zum ersten Mal. Käme ich heute später aus Zürich zurück und hätte meinen Swiss Pass nur als Handyversion dabei, stünde ich trotz bezahlter Gebühr vor verschlossener Tür.
Zum Glück habe ich meine Karte dabei und kann die Tore jederzeit öffnen, indem ich sie an einen der schwarzen Kartenleser halte. Die Stadtpolizei, die für die Velostationen verantwortlich ist, sagt auf Anfrage, man wolle sich um eine Lösung fürs Handy kümmern. Vorläufig aber braucht man ausserhalb der Öffnungszeiten die Swiss-Pass-Karte. Sie kann kostenlos und ohne ÖV-Abo am SBB-Schalter bestellt werden.
Gratis, nah am Gleis – und leer!
Mein Velo ist zwar versorgt, aber ich will mit Bargeld vom Raiffeisen-Bancomaten beim Stellwerk auch den Ticketautomaten testen. Er hat nur ein Tagesticket anzubieten. Für einen Zweifränkler erhalte ich eine Quittung, die ich ans Velo kleben soll, indem ich wie bei einem Sticker die Folie abziehe. Darauf steht, wie lange mein Ticket gültig ist und dass mir der Zugang von 20 Uhr bis 5 Uhr verwehrt ist.

Bleibt die Station Gleis 3 hinter dem Coop City. Sie ist nur mit Swiss Pass zugänglich. Als ich um 12 Uhr dort ankomme, sind auf ihrem Dach an die 70 Gratisplätze frei. Zwei ankommende Pendler stellen ihre Räder lieber zu den chaotisch parkierten Velos neben der Station. Entweder ist der «Geheimtipp» zu schlecht ausgeschildert, oder ihnen sind zehn Meter zu viel, wenn es darum geht, den Drahtesel richtig zu parkieren.
Mir ist der gleisnahe Gratisplatz auf jeden Fall sympathischer, als jedes Mal zwei Franken zu investieren oder ein Abo für eine Velostation zu lösen. Die Bedienung der App ist aber definitiv keine Hexerei. Und auch der Ticketautomat ist einfach zu handhaben, wenn man Kleingeld dabeihat. Allfällige Restschwierigkeiten könnten vielleicht dadurch behoben werden, dass die Stadt die bunten Erklärtafeln an allen Velostationen anbringt. Laut Michael Wirz, Mediensprecher der Stadtpolizei, wird diese Anpassung derzeit geprüft. Während der Betriebszeiten hilft ansonsten auch das Brühlgut-Personal.