«Der Mensch hört nie auf zu essen»

Ob Schokolade, Wurst oder Bier – der Lebensmitteltechnologe verarbeitet Rohstoffe zu Essen und Getränken. Mit Mund, Nase und im Labor kontrolliert er die Qualität seiner Produkte und entwickelt neue.

Programmiert und befüllt die Maschinen, die Schokoladencreme und Salatsaucen herstellen: Lebensmitteltechnologe Jasha Läubin. Foto: Nicole Ackermann

Himbeeren gefriergetrocknet, Fleischzartmacher, E-220 – wenn Jasha Läubin im Supermarkt einkauft, ertappt er sich manchmal dabei, wie er auf die Etiketten der Lebensmittel schielt und ihre Zutaten prüft. Während ihr Inhalt sich für die meisten von uns liest, als blickten sie zum ersten Mal in ein chinesisches Physik- oder Chemiebuch, sind die Begriffe für Jasha Läubin Berufsalltag.

Der 18-Jährige ist Lebensmitteltechnologe und hat soeben die dreijährige Lehre bei der Guma AG in Bilten abgeschlossen. Dort stellte er bis vor Kurzem Convenience-, also Fertigprodukte her, wie Laien sie nennen. Man könnte auch sagen: Jasha Läubin macht Ketchup, Mayo, Schokoladencreme und Salatsaucen und füllt sie in Beutelchen und Becherchen. Aber das klänge zu simpel. Und es würde dem abwechslungsreichen und herausfordernden Beruf des Lebensmitteltechnologen nicht gerecht werden.

Wissen, wie man richtig putzt

Das A und O im Beruf des Lebensmitteltechnologen sind Sauberkeit und Hygiene, sagt Regula Kümin, Leiterin Mensch und Qualität bei der Guma. Das heisst: Bevor Jasha Läubin Rohstoffe an der Maschine mischt, desinfiziert er seine Hände. Er zieht sich eine weisse Schutzhose und ein sauberes T-Shirt an und verdeckt seine Haare mit einem Netz. Jeden Tag. Er niest beim Arbeiten in die Armbeuge und trägt bei gewissen Arbeitsschritten selbstverständlich eine Hygienemaske.

Sauberkeit und Hygiene bedeuten in der Lebensmitteltechnologie aber mehr, als nur darauf zu achten, dass Jasha Läubins Haare den Konsumentinnen und Konsumenten nicht die Lust auf den Insalata Mista verderben. Es geht um die Gesundheit. Zur Sauberkeit gehört deshalb auch das Reinigen der Maschinen, mit denen die Guma ihre Convenience-Produkte herstellt.

Jasha Läubin hat daher in seiner Ausbildung gelernt, wie man blitzeblank putzt. Und zwar so, dass «seine» Maschinen frei von Bakterien und Allergenen sind, etwa von Spuren von Haselnüssen oder von Gluten. «Nicht sauber zu arbeiten, kann für unsere Konsumenten lebensgefährlich sein», sagt Regula Kümin. «Ein Lebensmitteltechnologe, der sich vor Reinigungsarbeiten scheut, wäre ungeeignet.»

Die Milch gehört in den Kühlschrank

Nach den Sommerferien wird Jasha Läubin die Berufsmittelschule besuchen und sich weiterbilden. Er wohnt noch bei seinen Eltern in Ennenda. Seit er Lebensmitteltechnologe sei, achte er schon stärker darauf, dass die Küche sauber ist, sagt der 18-Jährige. Es komme durchaus vor, dass er seine Mutter auf falsche Handhabung mit Lebensmitteln hinweise – etwa wenn sie die Milch nicht umgehend wieder in den Kühlschrank stelle.

Läubin hat sich in seiner Ausbildung erarbeitet, wie er Lebensmittel länger haltbar machen kann und wie sie zu konservieren sind. Zum Leidwesen seiner Mutter weiss er heute auch, wie schnell sich Bakterienkulturen entwickeln können. Und er hat gelernt, wie man Rohstoffe so verarbeitet, dass sie ihren Nährwert und ihren Geschmack lange behalten, mit welchen Verfahren Lebensmittel sämiger, zähflüssiger, knuspriger oder knackiger werden oder was warum passiert, wenn man Rohstoffe erhitzt oder kühlt.

Um diese Prozesse zu verstehen, benötigt ein Lebensmitteltechnologe Kenntnisse in Chemie, Physik und Biologie. Sie werden ihm an der Berufsschule vermittelt. Viele Betriebe setzen für eine Lehre als Lebensmitteltechnologe zudem gute Leistungen in und das Interesse an diesen Fächern voraus.

Ohne Technik geht es nicht

Sein naturwissenschaftliches Wissen über Lebensmittel setzt der Lebensmitteltechnologe in verschiedenen Bereichen ein: Er entwickelt neue Produkte, produziert sie und kontrolliert ihre Qualität. Ausserdem verpackt er die Produkte so, dass sie optimal vor Bakterien und Zerfall geschützt sind. Und er etikettiert sie mit ihren Zutaten.

Als Lehrling verbringe man aber die meiste Zeit in der Produktion und damit an den Maschinen, mit denen die Saucen hergestellt und in Becherchen und Beutelchen gefüllt werden, sagt Regula Kümin. Jasha Läubin gefällt diese technische Komponente an seinem Beruf. In der Berufsschule und im Betrieb hat er gelernt, verschiedene Produktionsanlagen einzurichten, die Rohstoffe wie Öl und Essig richtig zu dosieren und die Produktion maschinell zu steuern.

Muss seine Produktionsanlagen selbst in Stand halten: Lebensmitteltechnologe Jasha Läubin. Foto: Nicole Ackermann

Die Gewürze für die Salatsaucen wägt er aber von Hand ab und kippt sie in die Maschine. In der Guma AG, einem kleinen Betrieb mit gut 60 Mitarbeitenden, sei der handwerkliche Anteil an der Arbeit gross, sagt Regula Kümin. Bei ihnen würden die Mitarbeitenden mit ihren Händen und Sinnen noch sehr nahe an den Produkten arbeiten.

Ein sinnlicher Beruf

Wie sehr sich der Lebensmitteltechnologe auf seine Sinne verlassen muss, zeigt sich besonders bei der Entwicklung und der Kontrolle der Lebensmittel. Die Analyse der Produkte im Labor dient hauptsächlich dazu, die gesetzlichen Standards in Bezug auf Lebensmittelsicherheit einzuhalten und die Qualität sicherzustellen.

Aber bei der Produktion von Lebensmitteln geht es immer auch um ihre Beschaffenheit, die Textur. Und um Geschmack. «Gerade wenn man in der Entwicklung arbeitet, gehört es zum Alltag, zu probieren», sagt Regula Kümin. «Man macht Müsterli, ändert sie, beobachtet, probiert wieder.»

Worauf zu achten ist, diskutiert der Lebensmitteltechnologe vorher mit der Kundin, für die er produziert. Vorstellbar sei etwa, dass einem Detailhändler wichtig sei, dass die Füllung für seine Sandwichs nicht aus dem Brot tropfe. Bei der Kontrolle prüft der Lebensmittelfachmann, ob das Produkt so ist, wie es sein muss. Neben Pipette und technischem Know-how ist er vor allem auf Mund, Nase und Hände angewiesen.

Lebensmitteltechnologen seien drum oft auch Kulinariker, ist Regula Kümin überzeugt. Das sagt auch Jasha Läubin, der zu Hause gerne kocht und bäckt. Zum Beruf des Kochs oder Bäckers gibt es aber laut Regula Kümin einen grossen Unterschied: «Unser Anspruch ist es nicht, das Produkt jedes Mal besser zu machen, sondern immer gleich gut.»

Drei Betriebe bieten eine Lehre an

Die Lust auf Schokocreme und Salat mit Sauce ist Jasha Läubin trotzdem noch nicht vergangen. Zu vielfältig seien die Produkte, die er herstelle. Er könne sich aber vorstellen, dass man die Lust auf Schokolade verliere, wenn man jeden Tag nur noch Schoki produziere. Mit einem Schmunzeln deutet Läubin auf die andere Strassenseite im Industriequartier in Bilten. Dort, knapp 20 Meter neben der Guma, produziert die Familie Läderach ihre Schokoladen.

Das House of Läderach ist mit der Brauerei Adler in Schwanden und der Guma AG einer von nur drei Betrieben, in der man sich im Glarnerland zum Lebenstechnologen ausbilden lassen kann. An der Berufsfachschule in Wädenswil erhalten die Lebensmitteltechnologen neben der Grundbildung branchenspezifischen Spezialunterricht.

Den Betrieb, respektive das Produkt zu wechseln, sei für einen Lebensmitteltechnologen kein Problem, sagt Regula Kümin. «Wir haben auch Mitarbeitende, die in einer Käserei gelernt haben. Jetzt produzieren sie Saucen, das funktioniert ausgezeichnet.»

Ein Beruf, den es immer braucht

Dass die Lebensmitteltechnologie nur hoch verarbeitete Industrieprodukte herstellt, ist laut Regula Kümin ein Mythos. Neben Schokolade und Bier produziere ein Lebensmitteltechnologe auch Brot, Wurst oder Guezli. Der Trend in der Branche weise ohnehin in Richtung Nahrungsmittel ohne Zusatzstoffe und Konservierungsmittel. Und im Bereich Convenience würden vegane Produkte immer mehr gewünscht.

«Der Mensch hört nie auf zu essen», sagt die Zuständige für Qualität und Mensch bei der Guma. Der Beruf des Lebensmitteltechnologen sei auf jeden Fall ein Beruf mit Zukunft – selbst wenn plötzlich alle nur noch alles «frisch» zubereiten würden. Lebensmitteltechnologen würden viele Produkte in unserem «Lebensmittel-Alltag» herstellen, etwa Teigwaren, Bouillon oder Hefe. Und: «Kaum ein Bäcker schlägt heute mehr selbst ein Ei auf», sagt Regula Kümin. Er verwende pasteurisierte Eigelbe aus der Packung – hergestellt von einem Lebensmitteltechnologen.

Publiziert in: Südostschweiz, Glarner Nachrichten, 24.7.22

Beitrag teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert