Lo und Leduc: «Der Rahmen in Glarus gefällt uns»

Lo und Leduc kehren nach sieben Jahren zurück nach Glarus. Als Hauptact von heute Donnerstag wollen sie dem Publikum mit einem Mix aus neuen und alten Mundart-Stücken einheizen.

Sind nach der Pandemie musikalisch wieder voll da: Lo (r.) und Leduc. Foto: Flavio Leone / Bakara Music

Wenn die Prädikate «Künstler» und «vielseitig» auf jemanden zutreffen, dann auf die zwei Berner Musiker Lo und Leduc: Ihre Mundart-Hits wie «Jung verdammt», «079» oder «Tribut» sind kaum mehr aus den Schweizer Airplay-Charts wegzudenken, als Häberli und Oggier setzen sie sich auf Schweizer Kleinkunstbühnen satirisch mit der Verwendung von Sprache auseinander, und am Bounce Cypher von Radio SRF Virus zeigen sie gestandenen Rappern regelmässig, dass sie mehr können, als Popmusik zu produzieren. Nach 2015 kehren Lo und Leduc zurück ans Sound of Glarus. Sie bringen ihr neues Album «Mercato» sowie grossen Hunger auf einen energiegeladenen Live-Auftritt mit ins Glarnerland.

Lo und Leduc, Sie gehören zu den bekanntesten und erfolgreichsten Acts in der Schweiz. Was ist der Reiz, an einem eher kleinen Open Air wie in Glarus zu spielen?

Leduc: So klein ist das nicht (lacht). Ich habe das Sound of Glarus in guter Erinnerung. Ausserdem haben kleine Bühnen durchaus ihren Reiz. Es ist alles sehr nah, man spürt das Publikum besser, drum sind wir auf kleineren Bühnen auch oft nervöser. Uns gefällt der Rahmen.

Haben Sie das Open Air nur deswegen in guter Erinnerung, oder reizt vielleicht auch das Glarnerland oder die Bergkulisse?

Leduc An so einem Konzert sieht man als Musiker hauptsächlich die Bühne. Es ist nicht so, dass wir Zeit hätten, das ganze Glarnerland abzuwandern und zu geniessen. Aber ich kann mich an ein energiegeladenes Publikum erinnern.

Das wissen Sie noch?

Leduc: Ja, das ist abgespeichert. Man könnte meinen, an einer Show verschwimmt alles, ein Musiker nimmt das Rundherum nur schablonenartig wahr. Ich erinnere mich aber oft Jahre später an erstaunlich viele Einzelmomente.

Welche Episode ist Ihnen vom Sound of Glarus 2015 geblieben?

Leduc: Der Saxofonistin von Gentleman (deutscher Reggaekünstler, Anm. der Red.) ging kurz vor dem Auftritt am Sound of Glarus das Instrument kaputt, worauf unser Saxofonist ihr seines ausgeliehen hat. Unser Saxofon durfte dadurch ein Gentleman-Set spielen. Für uns als Fans ist das eine schöne Geschichte.

Für Ihren diesjährigen Auftritt kommen Sie direkt vom Esaf in Pratteln, wo Sie am Abend spielten. Das klingt nach Stress.

Lo: Grundsätzlich sind es schon mit nur einer Show volle Tage. Bei zweien hilft nur, minutiös zu planen und früh aufzustehen. Es wird einfach ein sehr langer Arbeitstag, wie es ihn in jedem Job mal gibt.

Leduc: Genau. Der August ist für uns einfach wie der Februar für einen Skilehrer.

Sie spielen nach Zug 2019 heuer zum zweiten Mal an einem Esaf. Hat Mollis schon angefragt?

Leduc: Bis jetzt sind wir nicht kontaktiert worden. Jetzt freuen wir uns erst mal auf das Sound of Glarus.

Aber abgeneigt für ein drittes Esaf wären Sie nicht? In der SRF-Dok von 2020 äussern Sie sich eher kritisch zum Schwingen.

Lo: Nicht grundsätzlich zum Schwingen. Das ist ja erst mal ein Sport. Aber wie die Musik ist auch der Sport nicht von der Politik zu trennen. Das «Eidgenössisch» im Namen des Esaf zeigt, dass hier ein bestimmtes Bild der Schweiz vermittelt werden soll: ein historisierendes, Traditionen beschwörendes Bild, vielleicht auch eines, das diejenigen ausschliesst, die nicht zu diesem Bild passen. Das ist problematisch. Unser Ziel ist es, uns immer kritisch mit dem Selbstbild des Landes auseinanderzusetzen, in dem wir leben.

Noch häufiger als am Esaf zeigen Sie sich im «Cypher» von Radio Virus, einer Art Openmic-Veranstaltung für die Schweizer Rap-Szene. Wo fühlen Sie sich wohler, bei den «Bösen» am Esaf oder bei den «Bösen» im Cypher?

Leduc: Bei den Schwingern ist das offenbar eine Selbstbezeichnung. Seitens der Rap-Szene ist das aber kaum der Fall. Es handelt sich eher um eine klischierte Aussensicht.

Aber die Verbindungen zur Rap-Szene sind noch vorhanden. Kennen Sie einen Glarner Rapper?

Lo: Mir kommt nur Bandit in den Sinn. Das war ein guter Freestyle MC.

Genau wie er haben Sie das renommierte Ultimate MC Battle im Berner Bierhübeli mehrfach gewonnen. Es gilt als Schweizermeisterschaft im Freestyle-Rap. Dürfen wir Ihre Wortakrobatik auch in Glarus geniessen?

Lo: Ja, das Freestylen ist fester Bestandteil unserer Livekonzerte. Solche improvisierten Elemente sind sehr interessant, weil sie sich spontan entwickeln.

Die Leute schreien Ihnen jeweils Begriffe zu, die Sie in Ihren Raps verwenden musst. Haben Sie keine Angst vor Glarner Ausdrücken wie Ziger oder Fridolin?

Leduc (schmunzelt): Das sind fast die voraussehbarsten Begriffe.

Lo: Angst, dass mir nichts in den Sinn kommt, habe ich immer. Meistens fällt mir etwas ein, das heisst aber nicht, dass das Ergebnis immer gut ist.

2020 hatten Sie kein Konzert, 2021 ein paar wenige. Blicken wir noch kurz nach vorne: Sind Sie heiss auf die anstehenden Auftritte?

Lo: Die zwei Jahre waren für alle in der Musik- und Kulturbranche schwierig, der Hunger auf Live-Auftritte hat sich definitiv vergrössert. Und die Dankbarkeit, dass wir Lieder schreiben können und die Leute kommen, um sie zu hören, ist ebenso grösser geworden.

Sie nutzen diese Auftritte auch, um Ihr neues Album «Mercato» vom Februar 2022 zu promoten. Im Vergleich zu Ihren vorherigen Erfolgen tut sich das Album etwas schwer.

Leduc: Was heisst, «das Album tut sich schwer»?

Ein Blick in die Airplaycharts zeigt, dass die Radiostationen «079» nach wie vor am meisten spielen. Aber Sie können mir gerne widersprechen.

Lo: Brauchen wir nicht, ich glaube, das trifft den Kern. Jeder Song, den wir noch veröffentlichen, wird sich im Vergleich mit «079» schwertun. Für uns ist es ein Riesenglück, was wir mit diesem Song erleben durften. Aber alle neuen Songs nur in Perspektive zu unserem grössten Hit zu sehen, ist wenig sinnvoll. Das neue Album fühlt sich für uns leicht und gut an. Ausserdem ist «Tribut» drauf, der erfolgreichste Schweizer Song 2021.

Was zeichnet denn das neue Album aus und unterscheidet es sich von den Vorgängern?

Lo: Wir haben versucht, eine Stimmung zu kreieren, welche die Ursprungsidee eines Songs und die damit verbundenen Gefühle bewahrt.

Leduc: Genau. Das Album hat etwas Ursprüngliches, Rohes.

Spielen Sie am Sound of Glarus zuerst ein paar neue Songs, oder heizen Sie direkt mit «079» ein?

Leduc: Es ist nicht so relevant, wann der Lärmpegel oder die Euphorie an einer Show am höchsten ist. Hauptsache, es entsteht eine Dynamik. Wir versuchen, sie als Musiker mit unseren Liedern zu schaffen – und indem wir die Stimmung im Publikum spontan aufnehmen und mit ihr spielen. Wir sind selbst jedes Mal gespannt, was so entsteht. In Glarus probieren wir es mit einem Mix aus neuem und alten Material.

Und was planen Sie danach?

Leduc: Nach der Sommertour sind wir im November und Dezember mit Band auf Clubtour. Der Rahmen wird noch kleiner und intimer sein als am Sound of Glarus, es werden fast so viele Leute auf der Bühne stehen wie davor. Wir freuen uns auch auf diese Variante.

Lo: Und wenn wir gar keine Shows haben, arbeiten wir an Lied-Ideen, die nach jedem Album herumliegen – mal mehr, mal weniger. Bis wir wissen, wann und wie wir sie als Nächstes präsentieren. Ob das ein Album, ein Live-Song oder ein Kleinkunstprogramm sein wird, werden wir sehen.

Publiziert in: Südostschweiz, Glarner Nachrichten, 25.8.22

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