Betrüger locken mit falschen Wohnungen zu Spottpreisen. Eine Rentnerin geriet in Winterthur gleich mehrere Male an hinterhältige Vermieter.

«Maria Elena Lopez» aus Spanien, die weder so heisst, noch in Spanien wohnt, bietet ihre Dreizimmerwohnung an der Heiligbergstrasse für 780 Franken pro Monat an. 70 Quadratmeter, möbliert – Strom und Wasser, Waschmaschine, Gasgrill und weitere Verlockungen sind im Schnäppchenpreis inbegriffen.
Das klingt nicht nur zu schön, um wahr zu sein – es ist es auch, wie eine Rentnerin bei der Wohnungssuche Ende August erfahren musste. Gefunden hat sie das Inserat auf einer Immobilienplattform im Internet. Bis auf den attraktiven Preis sei an der Wohnung nichts auffällig gewesen, sagt die Rentnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Fotos hätten echt gewirkt.
Das sind sie auch. Die darauf abgebildete Wohnung soll aber weder vermietet werden noch gehört sie einer Frau «Lopez». Sie sei 58 Jahre alt und arbeite beim spanischen Innenministerium, schreibt die in einer Mail, die der Redaktion vorliegt. Nebst einem Labrador habe sie einen «wunderschönen Ehemann» namens Daniel und eine 27-jährige Tochter namens Ecaterina. Dann verabschiedet sie sich mit «Maria» und mit ein paar «Küsschen».
Das schafft Vertrauen. Denn: Schon im dritten Mail will die Fake-Vermieterin Geld, und zwar bevor sie zu einem Besichtigungstermin anreist. Sie habe kürzlich schlechte Erfahrungen gemacht: «Vor drei Wochen bin ich extra in die Schweiz geflogen, und ein Mieter hat sich einfach nicht mehr gemeldet.»
Ihr Vorschlag: Die Rentnerin solle das Objekt auf Booking.com reservieren, indem sie 1780 Franken für Miete und Kaution einzahle. Komme es zu einem Vertrag, soll sie Booking autorisieren, das Geld an die Vermieterin zu überweisen. Wenn nicht, könne sie den Betrag zurückziehen. «Du hast nichts zu verlieren, und ich die Garantie, dass du wirklich interessiert bist», schreibt «Lopez».
Das Geld ist verloren
Spätestens jetzt wurde die Rentnerin misstrauisch. Sie hatte unterdessen mit einer Vermieterin aus Frankreich Kontakt. Ihr Preis für einen Besichtigungstermin: 1200 Franken. Auch sie setzt in einer E-Mail alles daran, der Wohnungssuchenden auf einer Dreiviertel-A4-Seite klarzumachen, warum ihre Methode angeblich sicher sei. Als die Rentnerin Zweifel an der Integrität von Frau «Lopez» äussert, bricht sie den Kontakt ab.
Was passieren kann, wenn man sich auf derart zweifelhafte Angebote einlässt, zeigt ein Betrugsfall, über den diese Zeitung berichtete. Vor drei Jahren überwies eine 18-jährige Winterthurerin einer Französin 1850 Franken via gefälschten Airbnb-Link. Zur Besichtigung erschien niemand, das Geld sah die Studentin nie mehr.
Verdacht auf Betrug häuft sich
Wie vielen Wohnungssuchenden es ähnlich geht, ist in keiner Statistik explizit ersichtlich. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik PKS sind die Anzeigen wegen Wohnungsbetrug aber von 18 Meldungen im Jahr 2016 auf 131 im Jahr 2022 gestiegen. 2021 waren es gar 154 Anzeigen.
Diesen Trend beobachtet auch Sebastian Sinemus von der SMG Swiss Marketplace Group, die Immobilienplattformen wie Homegate oder Immoscout24 betreibt. Er sagt, die Betrugsversuche hätten über die letzten Jahre kontinuierlich zugenommen; genaue Zahlen kann er nicht nennen.
Die aktuelle Wohnungsknappheit habe aber einen Einfluss: «Betrüger treiben ihr perfides Spiel am liebsten dort, wo die Nachfrage viel höher ist als das Angebot an Wohnungen.» Je verzweifelter man suche, desto eher lasse man sich von einem vermeintlich günstigen Angebot verleiten.
Die Preisvergleichsseite Comparis, die Wohnungsinserate unterschiedlicher Portale sammelt und anbietet, spricht auf Anfrage von etwa zehn Meldungen pro Woche mit Verdacht auf Wohnungsbetrug. An Wochenenden könne es vereinzelt vorkommen, dass sich bis zu 200 User meldeten. Die Hoffnung der Betrüger: Am Samstag und am Sonntag kontrolliert die Inserate niemand.
Fake-Inserate sind unvermeidbar
Wie andere Plattformen setzen auch Comparis und die SMG Swiss Marketplace Group vor allem auf Aufklärung – und auf die User. Sie sind aufgefordert, verdächtige Wohnungsangebote zu melden. Dann prüfe geschultes Personal das Inserat und deaktiviere es, falls sich ein Verdacht bestätige, schreibt die SMG. Ausserdem würden die Inserate regelmässig durch modernste Technik geprüft. Weiter will sich die SMG nicht in die Karten schauen lassen – die Betrüger könnten mitlesen.
Das müssen Sie bei der Wohnungssuche beachten
Das müssen Sie bei der Wohnungssuche beachten
- Vorsicht bei spottbilligen Wohnungen an bevorzugter Lage.
- Ignorieren Sie Wohnungen, deren Besitzer im Ausland sind und für eine Besichtigung Geld verlangen.
- Leisten Sie nie Vorauszahlungen, ohne die Wohnung besichtigt und einen rechtsgültigen Vertrag unterzeichnet zu haben.
- Schicken Sie niemals eine Kopie persönlicher Dokumente, Ihrer ID oder Ihres Passes.
- Melden Sie verdächtige Inserate dem Immobilienportal.
- Sie haben bereits Geld überwiesen? Informieren Sie den entsprechenden Geldtransferdienst (Moneygram, Paypal…) und erstatten Sie Strafanzeige bei der Polizei.
Quelle: Kantonspolizei Zürich, Immoscout24.ch
Trotz aller Sicherheitsmassnahmen schaffe es aber «ein verschwindend geringer Prozentsatz», sie zu umgehen, schreibt Sebastian Sinemus von der SMG. Und auch Comparis lässt mitteilen, dass betrügerische Wohnungsinserate kaum ganz zu vermeiden seien.
Den Betrügern hinterher hinken
Das klingt nach Ausnahmen. Wie kann es denn sein, dass jemand bei der Wohnungssuche in zwei Wochen gleich mehrere Male mit der Betrugsmasche konfrontiert wird? Die Rentnerin hatte in dieser Zeit nicht nur mit zwei Betrügern zu tun – «Maria Elena Lopez» wollte ihr nebst der Wohnung an der Heiligbergstrasse auch noch eine an der St. Gallerstrasse andrehen. Das Beste: Beide wurden angeblich von ihrer Tochter benutzt, als sie noch in der Schweiz studierte.
Wie effektiv die verschiedenen Plattformen die Inserate durchforsten, lässt sich nicht nachvollziehen. Die meisten warnen vor der Betrugsmasche. Das lässt darauf schliessen, dass die Betrüger ihre Köder überall im Netz auswerfen, um die Erfolgschance zu vergrössern.
Ausserdem gleiche der Kampf gegen die Fake-Vermieter einem Katz-und-Maus-Spiel, sagt Sebastian Sinemus von der SMG Swiss Marketplace Group. Die Betrüger würden die Immobilienplattformen immer wieder mit neuen Tricks herausfordern. «Und wir versuchen, die Oberhand zu behalten.»
Letztlich helfe aber nur eins, sagt Sinemus: auf der Hut sein, die Sicherheitsanweisungen befolgen (siehe Box) und Verdachtsfälle melden.