Warum der Samichlaus keine Erdnüsse in die Schule Laubegg bringt

Die Schule Laubegg unterrichtet ein Kind mit einer schweren Erdnussallergie. Aus Rücksicht ist die Schule seit August 2021 erdnussfrei. Einen ärztlichen Notfall gab es nur einmal. 

An Co-Schulleiter Paul Schnoz' Schule haben Erdnüsse nichts verloren. Er ist stolz, dass seine Schülerinnen und Schüler sich für ein Kind mit schwerer Allergie einsetzen.
Wegen eines Kindes mit schwerer Allergie haben Erdnüsse an seiner Schule nichts verloren: Co-Schulleiter Paul Schnoz. Foto: Marc Dahinden

Damit es für Erdnussallergiker gefährlich wird, braucht es nicht zwingend einen Biss in ein Snickers – bereits kleinste Nusspartikel in der Luft können tödlich sein. Schwere Nahrungsmittelallergien werden laut Allergiezentrum Schweiz deshalb bei Kindern besonders häufig durch Erdnüsse ausgelöst.

An der Schule Laubegg in Winterthur-Töss ist ein Kind in der zweiten Klasse von einer schweren Erdnussallergie betroffen. Die Schule ist deshalb seit August 2021 «erdnussfrei». Das heisst: Knapp 300 Schülerinnen und Schüler und 40 Lehrpersonen verzichten auf dem ganzen Schulareal auf Erdnüsse, um die Gesundheit eines Kindes zu schützen.

Keine Spur von Erdnüssen 

Die Massnahmen an der Schule Laubegg sind einschneidend. Satay-Spiesse, Erdnussbutter, M&Ms und andere Erdnusssnacks wird man im «Kinderrestaurant» der schulinternen Betreuungseinrichtung nicht finden. Die Eltern sind aufgefordert, ihren Kindern nur erdnussfreien Znüni mit in die Schule zu geben.

«Für das Kind kann es bereits gefährlich werden, wenn neben ihm eine Packung Flips geöffnet wird.»

Paul Schnoz, Co-Schulleiter Schule Laubegg, Winterthur

Via Esstisch, Stühle oder Türklinken könnte das betroffene Kind mit Erdnussspuren in Kontakt kommen. Wenn es sich danach mit kontaminierten Fingern in die Augen oder in die Nase fasst, kann das eine allergische Reaktion auslösen. «Es kann für das Kind aber bereits gefährlich werden, wenn neben ihm eine Packung Flips geöffnet wird und es winzige Erdnusspartikel einatmet», sagt Paul Schnoz, der die Schule zusammen mit Sarah Knüsel leitet.

In den Gängen des Laubegg verweisen deshalb tellergrosse Schilder darauf, dass Erdnüsse und erdnusshaltige Produkte auf dem Schulareal nichts zu suchen haben. Einen tristen Samichlaus-Tag gebe es an seiner Schule deswegen aber nicht, sagt der Co-Schulleiter. «Der Samichlaus bringt einfach mehr Mandarinli, Lebkuchen, Baumnüsse und Schokolade.»

Erdnussallergiker verzichten auf vieles

Schnoz weiss, dass Verbote an Schulen negative Gefühle und Unverständnis verursachen können. Die Schule versuche deshalb, den Solidaritätsgedanken zu betonen. Den Erdnussverzicht an seiner Schule hält er für notwendig. Es sei ein Beitrag, den jedes Kind leisten könne und gerne leiste. «Wir können mit relativ einfachen Mitteln lebensbedrohliche Situationen verhindern», sagt Schnoz.

Verglichen mit den Entbehrungen, die das Kind mit der Erdnussallergie auf sich nehmen muss, verzichten die Mitschüler auf «Peanuts».

Paul Schnoz, Co-Schulleiter Schule Laubegg, Winterthur

Die Schulleitung hat die Massnahmen und deren Verhältnismässigkeit laut Schnoz sorgfältig angeschaut und mit der zuständigen Ärzteschaft besprochen. Ein Blick auf die Website der Patienten- und Selbsthilfeorganisation «Erdnussallergie und Aphylaxie» zeigt: Bei schwersten Formen von Erdnussallergie ist es unumgänglich, das Umfeld einzuweihen und um Rücksichtnahme zu bitten.

Verglichen mit den Entbehrungen, die ein Kind mit einer schweren Erdnussallergie auf sich nehmen muss, verzichten die Mitschülerinnen und -schüler auf «Peanuts». Betroffene und ihre Eltern kennen keinen normalen Alltag – der Gang in eine Bäckerei oder ein Restaurant ist praktisch unmöglich. Und das Nachbarskind können solche Kinder nur besuchen, wenn ein Erwachsener die Umgebung vorab prüft und anwesend ist, um im Ernstfall richtig zu reagieren.

Lehrpersonen verhindern das Schlimmste

Die Lage an der Schule Laubegg ist dementsprechend fragil. Es sei sehr schwierig, die Vorsichtsmassnahmen zu hundert Prozent einzuhalten, sagt Schnoz. Eine brenzlige Situation habe es aber nur einmal gegeben: Eines Morgens habe sich das Kind über ein Engegefühl in der Brust und ein Kribbeln am Körper beklagt.

Das sind typische Symptome für eine allergische Reaktion. Unbehandelt können sie bei einem Kind mit einer schweren Erdnussallergie in einem anaphylaktischen Schock münden. Organstillstand, Kreislaufzusammenbruch und Tod wären dann die Folge. 

«Wir hatten aber Glück im Unglück», sagt der Schulleiter. Seine Lehrpersonen seien für Notsituationen durch eine externe Fachkraft geschult worden und hätten die Reaktion nach den ersten Symptomen mit Tabletten gestoppt. Im Klassenzimmer liegt für solche Notfälle ein Set mit Adrenalin-Fertigspritze, Cortison und Antihistaminika bereit – alles Medikamente, die eine Allergie hemmen und den Kreislauf stabilisieren.

Die Mutter des Kindes sei nach wenigen Minuten vor Ort gewesen und habe das Kind zur Abklärung des Gesundheitszustandes zum Arzt gebracht. 

Immuntherapie könnte Schule entlasten

Kinder mit schweren, teils lebensbedrohlichen Allergien sind laut Allergiezentrum Schweiz zunehmend ein Thema an Schulen und Kindergärten. Wie viele Schulen schweizweit «erdnussfrei» sind, ist schwer zu sagen. Offizielle Zahlen gibt es keine. Der Verein Erdnussallergie und Anaphylaxie spricht von etwa 80 Schulen im Jahr 2018.

Im Laubegg gelten die Massnahmen laut Schnoz noch die nächsten fünf Jahre, dann kommt das Kind mit der Erdnussallergie in die Oberstufe. Es unterziehe sich allerdings derzeit einer Immuntherapie. Schlägt sie an, gewinnt das Kind an Lebensqualität, und die Schule könnte die Massnahmen möglicherweise lockern. Laut wissenschaftlichen Studien können 80 Prozent aller Kinder nach einer erfolgreichen Therapie problemlos eine einzige Erdnuss essen.

Paul Schnoz lobt die Solidarität und das Verständnis an seiner Schule seitens der Kinder, Eltern und Lehrpersonen. Über Veränderungen, welche die Beteiligten entlasten, ist er aber nicht unglücklich. Er sei deshalb froh, dass das Kind mit dem Heranwachsen immer mehr Eigenverantwortung übernehmen könne. «Je klarer es artikulieren kann, ob es Symptome spürt, desto schneller können wir helfen.»

Publiziert in: Der Landbote, 22.11.2022

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