Weitere «Hoflädeli» bewegen sich am Rande der Legalität

Weil es die Auflagen nicht erfüllen kann, muss das Bluemä-Hüsli in Wiesendangen Ende Jahr schliessen. Es ist nicht das einzige «Hoflädeli» in der Region Winterthur, das unerlaubte Produkte verkauft.

Die Zitronen aus Italien, die Ovo-Drinks in der Kühlvitrine aus Neuenegg bei Bern, der Philadelphia-Aufstrich aus Deutschland – ein Blick auf das Sortiment von 20 Hofläden in der Region Winterthur zeigt: Das «Meier’s Bluemä-Hüsli» in Wiesendangen ist nicht der einzige Hofladen, der die kantonalen Auflagen nicht erfüllt. Der Blumenladen an der Frauenfeldstrasse wird Ende Jahr schliessen – laut Betreiber-Paar sind die gesetzlichen Vorgaben nicht umsetzbar.

Diese besagen, dass mindestens die Hälfte der verkauften Produkte vom eigenen Hof stammen muss. Produkte von landwirtschaftlichen Betrieben im Umkreis von 15 Kilometern dürfen das Sortiment ergänzen. Industriell oder im Ausland produzierte Waren haben in Hofläden eigentlich nichts zu suchen.

Direktverkauf in der Landwirtschaftszone – so ist es erlaubt

Hoflädeli dürfen laut kantonalem Gesetz nur «dem Verkauf landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Produkte» dienen. Diese müssen:

  • zu mehr als der Hälfte auf dem eigenen Betrieb erzeugt worden sein
  • und sonst aus der Region im Umkreis von 15 Kilometern stammen.
  • Sind die Produkte verarbeitet, ist eine Verarbeitungsstufe zulässig, also etwa die Herstellung von Käse aus Milch. Industriell gefertigte Ware ist verboten.

Das ist erlaubt:

  • Kartoffeln vom eigenen Betrieb
  • Nüdeli aus eigenen Eiern und Mehl – gemahlen in einer Mühle in 50 Kilometer Entfernung
  • Schnaps aus Pflaumen vom eigenen Hof in Flaach, gebrannt im Thurgau
  • Hof-Glace vom Nachbarshof

Das nicht:

  • Zitronen aus Spanien
  • Capri-Sonne-Fruchtsaft
  • Fertig-Sauce béarnaise zu den eigenen Spargeln
  • Hof-Glace vom Hof in 30 Kilometern Entfernung

(rme, Quelle: Baudirektion Kanton Zürich, Amt für Raumentwicklung und Raumplanung)

Das Bluemä-Hüsli bezieht seine Blumen mehrheitlich bei der Blumenbörse in Wangen-Brüttisellen – diese importiert Blumen aus der ganzen Welt.

Auch 6 der im Zuge dieser Recherche angeschauten 20 Hofläden erfüllen die Auflagen nicht. In der Regel sind nur vereinzelte Produkte nicht erlaubt: ein Draft-Bier einer Brauerei in 20 Kilometer Entfernung, etwas Käse aus dem fernen Thurgau, ein Plastikspargelschäler. In drei Fällen kann nicht mehr von Ausnahmen gesprochen werden: Die Fotos auf den Webseiten der Hofläden zeigen exotische Früchte, Süssgetränke und andere industriell gefertigte Produkte.

Wie ist das möglich? Weshalb handeln die zuständigen Behörden im einen Fall, während sie im anderen wegschauen? Und schaden Hofläden, die sich nicht an die Auflagen halten, wirklich niemandem? Das jedenfalls liest man in den Kommentaren zur «Petition gegen die Schliessung vom Meier’s Bluemä-Hüsli» immer wieder.

Exotische Früchte vom Hof

Um diese Fragen zu beantworten, hat diese Zeitung mit Gemeinden, Gewerblern und Hoflädeli-Betreibern aus der Region gesprochen. Zwei, deren Hofläden deutlich gegen die Auflagen verstossen, waren bereit, anonym Auskunft zu geben.

Einer davon ist Bauer M¨üller (Name der Redaktion bekannt). Er verkauft vor allem Gemüse und Früchte, aber auch ein paar Gewürze hier, etwas Öl und Balsamico da. Sein Hofladen in der Landwirtschaftszone gleicht einem kleinen Dorfladen.

Angefangen habe er als Direktvermarkter mit eigenen Produkten, sagt er. «Dann habe ich das Sortiment laufend ausgebaut und mit Früchten aus aller Welt ergänzt.» Die Überlegung: Wenn es wie im Winter weniger einheimische Produkte gibt, kann er sich trotzdem auf das Standbein Hofladen verlassen.

Ähnlich argumentiert ein anderer Landwirt aus der Region. Wie Müller importiert er Gemüse und Früchte aus dem Süden – Peperoni, Auberginen, Orangen und einiges mehr. Mit dem erweiterten Sortiment reagiert er auf die Nachfrage: Wenn ein Stammsortiment vorhanden sei, komme auch die Kundschaft immer wieder.

Oder wie Müller es ausdrückt: «Wenn der Kunde Zitronen will, will er Zitronen. Wenn ich keine habe, holt er sie eben anderswo – und die anderen Waren auch.»

Behörden schauen nicht hin

Beide Hofläden-Betreiber sind wie Bluemä-Hüsli-Inhaberin Therese Meier vielmehr Detailhandelnde als Bauern. Auch Meier hat mit Schnittblumen aus der näheren Region angefangen und stetig expandiert. Das ist erlaubt, sofern die Auflagen eingehalten werden.

Kontrolliert werden die Hofläden-Sortimente nicht. Die zuständigen Gemeinden müssen laut Kanton erst dann eingreifen, wenn sie einen Missstand erkennen. Das ist etwa der Fall, wenn externe Hinweise oder Anzeigen eingehen. Der Kanton selbst führt zwar Lebensmittelkontrollen durch. Zu prüfen, ob die Produkte den Vorgaben entsprechen, gehöre aber nicht zu seinen Aufgaben, schreibt die Baudirektion auf Anfrage.

Im Falle des Wiesendanger Bluemä-Hüsli intervenierte die Gemeinde, nachdem die Inhaberin in einer Muttertagsreportage dieser Zeitung im Mai 2021 erzählt hatte, dass sie ihre Blumen bei der Blumenbörse beziehe. Bis zu jenem Zeitpunkt ging das Betreiber-Paar davon aus, dass seine selbst hergestellten Sträusse und Arrangements erlaubt sind. Die beiden Hofladen-Betreiber mit dem Gemüse und den Früchten sagen sogar, sie hätten erst durch diese Recherche von den Auflagen erfahren.

Das ist durchaus möglich. Die kantonale Baudirektion informiert die Hofläden zwar im Rahmen der Bau- und Betriebsbewilligung schriftlich über die Auflagen. Aber: Dieser administrative Schritt liegt im Falle des Bluemä-Hüsli und anderer Hofläden über 20 Jahre zurück. Und präventive Kontrollen, die an die Auflagen erinnern würden, gibt es nicht.

Verantwortlich bleiben aber die Hofladen-Betreiber selbst, wie der Kanton bestätigt. Sie sind verpflichtet, die Auflagen zu kennen und etwa im Falle einer Übernahme in der Ursprungsbewilligung nachzuschauen.

Betreiber kritisieren die Auflagen

Viele der Kommentierenden unter der Online-Petition gegen die Schliessung des Bluemä-Hüsli sehen das anders. Sie werfen der Gemeinde «Behördenwahnsinn» oder «Paragrafenreiterei» vor. Kritische Stimmen zu den überbordenden Hofläden finden sich praktisch nicht.

Auch die konfrontierten Betreiber kritisieren in erster Linie das Gesetz und nicht sich selber. «Die 15-Kilometer-Regel ist ein Unsinn», sagt Müller. Wenn ein Bauer im Tösstal auf seinem Hof Spargeln aus dem Wyland verkaufen wolle, könne er das nicht. Er selber versuche möglichst Produkte aus der Region anzubieten. «Region heisst für mich Ostschweiz.»

Reto Wipf aus Marthalen ist einer der 20 Landwirte, deren Hofläden die Auflagen zu erfüllen scheinen. Er leistet Müller Schützenhilfe: «Wenn jemand auf seinem Hof Geld investiert und eine Marktlücke entdeckt hat, sollte man nicht unnötige Vorschriften machen.»

Der Zürcher Bauernverband gibt sich zurückhaltender. Barbara Hemd, die Zuständige für die Öffentlichkeitsarbeit, sagt auf Anfrage: «Hofläden haben gegenüber dem Gewerbe gewisse Vorteile.» Sie seien nicht an Öffnungszeiten gebunden und hätten weniger Gesamtkosten. Umso mehr sei sie der Meinung: «Die Auflagen gelten und sollten eingehalten werden.»

Die angefragten Gewerbevereine und -treibenden in der Region wollen sich nicht öffentlich äussern. Dafür bezieht der Schweizer Floristenverband Stellung: Geschäftsführer Thomas Meier sagt, dass Hofläden, die sich nicht an das Gesetz halten, für seine Branche ein Problem seien.

Der Grund: Viele Landwirtschaftsbetriebe beziehen Subventionen. «Gewöhnliche Blumengeschäfte müssen dagegen jeden einzelnen Franken verdienen, um ihn auszugeben», sagt Meier. Dadurch hätten sie höhere Kosten und seien dem Wettbewerb schutzlos ausgeliefert.

Ebenso stellt er fest, dass Hofläden anders als gewöhnliche Betriebe nicht in den obligatorischen Berufsbildungsfonds einzahlen. Im Falle des Bluemä-Hüsli heisst das: «Der Betrieb ist in der Branche tätig, ohne sich an deren Ausbildungskosten zu beteiligen.» Dies in einer Zeit, in der Fachkräfte sehr gefragt seien.

Inwiefern der Riethof sein Bluemä-Hüsli mit dem Ertrag aus der Landwirtschaft quersubventioniert, ist nicht bekannt. Das Betreiber-Paar möchte sich nicht mehr in dieser Zeitung äussern.

Publiziert in: Der Landbote, 2.3.2024

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