Wo Höchstpreise winken und Abzocke droht

Zwei Goldhändler versuchten letzte Woche in der Wisenthalle Goldschmuck anzukaufen. Sie werben mit Tageshöchstpreisen, wollten aber nicht einmal die Hälfte bezahlen.

Das Plakat an der Eingangstür der Wisenthalle verspricht Tageshöchstpreise und kompetente Beratung beim Goldankauf. Foto: Madeleine Schoder

Steigt der Goldpreis, steigt in der Regel auch die Anzahl Flugblätter in den Briefkästen, die Höchstpreise für Goldschmuck, Besteck oder Zahngold versprechen. «Bis zu 58 Franken» pro Gramm Gold durften Verkaufswillige gemäss Flyer am letzten Montag und Dienstag in Wiesendangen erwarten. Das entspricht etwa dem Kurs der letzten Tage, der derzeit so hoch ist wie zuletzt vor einem Jahr. Ebenfalls auf dem senfgelben Zettel: eine gültige Handynummer und ein Link auf eine Website, die gleich viel preisgibt wie der Flyer. Firmensitz und Name des Inhabers unbekannt.

Flugblätter teils dubioser Händler mit ähnlich wenigen Informationen landen immer wieder zwischen Zeitungen und Werbeprospekten, auch in Winterthur und Umgebung. Nur: Der besagte Goldankauf sollte für einmal nicht in einem Hinterzimmer eines Restaurants stattfinden, sondern im Foyer der Wisenthalle. Dort also, wo sonst Senioren einen Jass klopfen oder die Gemeindeversammlung über politische Geschäfte debattiert.

Wie seriös ist der Goldankäufer, der sich in der Liegenschaft der Gemeinde Wiesendangen eingemietet hat? Welche Preise offeriert er tatsächlich? Und was sagt ein Fachmann zu diesen Geschäften?

«Achtung Altgold-Ankauf»

Mit dem Goldketteli aus der Nachttischschublade geht es zu Ernst Schuppisser, der seit 40 Jahren als Goldschmied in Winterthur arbeitet. In seinem Geschäft am oberen Graben betrachtet er die zwei Anhänger und die Kette zuerst mit einer Juwelierlupe. «18 Karat», sagt er nach wenigen Sekunden. Dann legt er den Schmuck auf die Waage – «gut sichtbar, der Kunde muss das Display sehen», erklärt er. Es zeigt 11,35 Gramm. 

Als Nächstes reibt Schuppisser die drei Schmuckstücke über einen schwarzen Schleifstein und tröpfelt eine spezielle Prüfsäure über den Abrieb. Erst jetzt werden die feinen Goldspuren sichtbar. «18 Karat», wiederholt er und tippt mit seinen Fingern über den Taschenrechner: «Das gäbe 431 Franken cash ausbezahlt.» 

Goldankäufer ohne Namen

Mit diesen Informationen geht es weiter in die Wisenthalle nach Wiesendangen. An der Eingangstür hängt ein Plakätchen des Goldhändlers. «Achtung Altgold Ankauf» steht darauf mit grossen Lettern – als wolle er vor sich selbst warnen.

Die Tür zum Foyer ist offen. Am Tisch nahe der Fensterfront sitzen zwei Männer und warten auf Kundschaft. Der jüngere ist Mitte 30, der ältere dürfte etwas über 60 sein. Beide tragen ein geglättetes Hemd und sind adrett gekleidet. Sie grüssen freundlich. Mit Namen stellt sich an diesem Nachmittag aber niemand vor. Vor den Männern liegen dieselben Utensilien wie beim Goldschmied in Winterthur. Am rechten Tischrand springen sieben bis acht Armbanduhren aus Gold und Silber ins Auge.

Aufgepasst beim Goldankauf: Der bessere Preis für die Kette mit zwei Anhängern kam vom Goldschmied aus Winterthur. Foto: Roger Meier

Ob zu Hause noch weiterer Schmuck rumliege, fragt der Ältere. Uhren, Ringe, irgendetwas? Der Jüngere schaut sich das mitgebrachte Ketteli und die zwei Anhänger an. «Wahrscheinlich 14 Karat.» Ein kurzer Blick durch die Lupe bestätigt scheinbar seine Vermutung. Dann legt er die drei Schmuckstücke auf die Waage, deren Anzeige nur er sieht und sagt: «6 Gramm». Das ist knapp die Hälfte des durch den Fachmann Schuppisser festgestellten Gewichts.

Das Vorgehen des Händlers wirkt professionell, Unterschiede zum Goldschmied in Winterthur sind für einen Laien nicht erkennbar. Zuletzt zieht der Händler den Schmuck über den Schleifstein und tröpfelt mit einem Fläschchen über den Abrieb. Der Goldstaub bleibt unsichtbar – «14 Karat», sagt er noch einmal.

180 statt 431 Franken

Als der Ältere zum dritten oder vierten Mal nach Goldschmuck fragt, gibt der jüngere den Kaufpreis bekannt: 180 Franken. Das sind etwa 40 Prozent des Betrags, den Goldschmied Schuppisser bezahlt hätte. Wie erklären die beiden Händler diesen beträchtlichen Preisunterschied einem Journalisten? «Ich lerne noch», sagt der Jüngere sichtlich verdutzt. Vielleicht sei nur ein Anhänger 14 Karat, der Rest aber 18 und damit mehr wert.

Goldankauf – darauf sollten Sie achten
  • Verkaufen Sie den Schmuck einem Geschäft, das Sie kennen, mit festem Standort und fester Adresse.
  • Holen Sie mehrere Offerten ein und vergleichen Sie diese.
  • Informieren Sie sich vorgängig über den Goldpreis, etwa auf der Seite der Kantonalbank Zürich.
  • Verlangen Sie, auf das Display der Waage schauen zu können, oder wägen Sie im Vorfeld mit Ihrer digitalen Küchenwaage.
  • Lassen Sie eingefasste Diamanten entfernen und separat beurteilen.
  • Oft lassen sich Schmuckstücke beim Goldschmied umgestalten, statt sie zu verkaufen.

Quellen: Ernst Schuppisser, Goldschmied Winterthur. Robert Grauwiller, Präsident Verband Schweizer Goldschmiede und Uhrenfachgeschäfte.

Jetzt übernimmt der Ältere das Zepter. Er testet erneut. Sonderlich hektisch wirkt er dabei nicht. Er bleibt freundlich.

Die Firmenadresse stehe doch auf dem Flyer, sagt er. Dort findet man aber nur eine Handynummer, eine E-Mail und eine Website. Und eben dort stehe die Adresse, korrigiert er sich. Sein Name finde man auf dem Plakat an der Eingangstür. Beides stimmt nicht.

Gefragt, wie er denn nun heisse, nennt der Händler, ohne zu zögern, einen Namen.  Ob es sein richtiger ist, kann nicht überprüft werden. Laut Ernst Schuppisser kommt es immer wieder vor, dass Goldhändler den Namen von seriösen Goldschmieden mit eigenem Geschäft verwenden. Den Namen, den der Händler genannt habe, kenne er. Er kaufe aber schon länger keinen Schmuck mehr von ihm. «Schlechte Erfahrungen.» 

Der ältere der beiden hat mittlerweile einen neuen Preis ermittelt: 350 Franken. Das sind immer noch 80 Franken weniger als beim Goldschmied in Winterthur. Zum Handel kommt es nicht. Vor der Tür wartet bereits der nächste Kunde: Weisses Haar, gegen 90, nichts ahnend. In der einen Hand trägt er einen weissen Pelz, in der anderen eine zugedeckte Kartonbox. Inhalt unbekannt.

Er sei nur ein Besucher, kein Händler

Am Telefon am späteren Nachmittag sagt der ältere Händler, die Kette allein wiege 6,4 Gramm, nicht der gesamte Schmuck. Mit Anhänger seien es 13 Gramm. Und: «Wenn Sie gefragt hätten, hätten Sie auf die Waage schauen können.» Darauf angesprochen, dass sein Kollege alles zusammen gewogen und behauptet habe, es handle sich um 14 Karat und nicht um 18 Karat, sagt er: «Der kommt doch nicht draus» und: Er habe ihn «nur zufällig» besucht. Der Frage, wieso er einen Ahnungslosen seine Arbeit machen lasse, weicht er aus. Er selbst habe die Arbeit ja letztlich ausgeführt.

Dass auch das zweite Angebot 80 Franken unter dem des Goldhändlers liegt, begründet er mit Werbekosten und fragt dann: «Macht ihr eure Zeitung gratis?» Er inseriere in Zeitungen und müsse die Prospekte bezahlen. 6000–7000 habe er die letzten Tage verteilt, nicht nur in Wiesendangen, auch in Oberwinterthur.

Alexander Renner, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich, sagt auf Anfrage, dass das Ankaufen von Gold nicht verboten sei. «Auch nicht zu günstigen Preisen.» Würden Kunden aber bewusst getäuscht, könne der Strafbestand des Betrugs erfüllt sein. Dies zu beurteilen, sei im konkreten Fall Aufgabe der Justiz. Die Kantonspolizei Zürich hat in den letzten Tagen aufgrund von Verdachtsmeldungen in der Region Kontrollen bei Goldeinkäufern vorgenommen, sagt Renner. Verstösse in Zusammenhang mit Betrug seien nicht festgestellt worden.

Wiesendangen will keinen Goldankauf mehr

Wiesendangens Gemeindeschreiber Martin Schindler sagt, das Foyer der Wisenthalle sei vom betreffenden Händler unter dem Stichwort «Flohmarkt, Antiquitäten» reserviert worden. Nicht zum ersten Mal, wie Schindler bestätigt. Nachdem die Gemeinde Ende April realisiert habe, dass der Mieter auch Gold und Schmuck ankaufe, habe sie ihn durch den Kantonspolizeiposten Wiesendangen überprüfen lassen. «Bei der Überprüfung kam nichts Negatives zum Vorschein.» Und auch nach der ersten Veranstaltung im März seien keine Rückmeldungen bei der Gemeinde oder der Kapo eingegangen.

Die Medienberichte über Goldankäufe in Restaurants und Hinterzimmern sind Schindler bekannt. Ihm seien aber trotz ungutem Gefühl die Hände gebunden gewesen: Der Vertrag für den 9. und den 10. Mai sei bereits unterschrieben worden. «Die Gemeinde kann nicht grundlos vom Vertrag zurücktreten», sagt der Gemeindeschreiber. Für ihn ist aber klar: «Für einen solchen Zweck wollen wir die Wisenthalle künftig nicht mehr vermieten.» Die zuständigen Mitarbeitenden seien deshalb für weitere Anfragen sensibilisiert worden. 

Den Händlern dürfte das mehr oder weniger egal sein. Sie werden andere finden, die ihnen ihre Räumlichkeiten vermieten. Und andere, die ihnen ihr Gold verkaufen.

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